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Donnerstag, 13. Jun. 13
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Land bietet Anlaufstelle und begleitet Selbsthilfegruppen Initiative hilft Eltern der Neonazis Rheinland-Pfalz - Wenn Jugendliche in die rechtsextreme Szene abgeglitten sind, stehen die Eltern mit ihren Ängsten und Problemen oft allein. Unterstützung bekommen sie bei der "Elterninitiative gegen Rechts", erreichbar unter einer Telefonnummer im Landesjugendamt. Auch eine Selbsthilfegruppe ist schon entstanden.
Das Thema ist tabu. Doch irgendwann können die Eltern die Tatsache nicht mehr verdrängen: Ihr Kind ist in die rechtsextreme Szene abgeglitten. Musikgeschmack, Haarschnitt und Freundeskreis des Sohnes haben sich verändert. Am Frühstückstisch erscheint er mit Kampfstiefeln, am Wochenende fährt er zu Konzerten von rechtsextremen Gruppen. Was, wenn morgen die Polizei die Wohnung nach verbotenen NS-Symbolen durchsucht? Wenn Ausbildung oder Job auf dem Spiel stehen? Eltern in dieser Lage hilft die "Elterninitiative gegen Rechts" des Landes. Begleitet von der Initiative hat sich eine Selbsthilfegruppe im Süden des Landes gebildet, eine zweite im Norden ist geplant. Offensive statt Tabu "Die Erfahrungen mit der Selbsthilfe sind sehr gut. Bisher ist keiner abgesprungen", sagt ihr Moderator von der Initiative. Er will aus Sicherheitsgründen ungenannt bleiben. Auch die Orte, an denen sich die zehn Elternpaare alle acht bis zwölf Wochen treffen, müssen geheim gehalten werden - die "Szene" empfindet solche Aktivitäten als Provokation. Intensive Vorgespräche mit Interessenten stellen sicher, dass nur wirklich Betroffene zu ihr stoßen und nicht etwa getarnte Rechtsextreme. In Ziel und Wirkung unterscheidet sich die Gruppe jedoch nicht von anderen Selbsthilfe-Projekten: "Was sie so wertvoll macht, ist das besondere Verständnis für die Lage der anderen aus der eigenen Betroffenheit heraus." Der Austausch in der Gruppe verschafft den Eltern erstmals eine Außen-Sicht auf ihre eigene Situation und mildert das lähmende Gefühl, mit ihren Ängsten und Problemen alleine dazustehen. Wo sind die Grenzen der Toleranz? Besprochen werden auch ganz praktische Fragen wie jene, ob man es akzeptieren soll, dass im Jugendzimmer die Reichskriegsflagge hängt, ob die Mutter das Waschen von Kleidung mit NS-Symbolen verweigern soll oder die Eltern die NPD-Mitgliedsbeiträge für den 15-jährigen Sohn bezahlen. Der Moderator gibt keine direkten Ratschläge. Er fördert aber Bestrebungen der Eltern, "klare Ansagen" zu machen und dem Kind ihre Toleranz-Grenzen aufzuzeigen: "Die Eltern müssen Mut fassen, mit dem Thema offensiver umzugehen." Sie werden darin bestärkt, nicht zu warten, bis der Jugendliche strafbare Handlungen begeht, sondern ihr Erziehungsrecht auszuüben: Der eigene Internet-Anschluss im Zimmer muss nicht sein, wenn darüber auf Neonazi-Seiten gesurft oder der Kontakt mit rechtsextremen Netzwerken gehalten wird. "RAUSwege" Das Bedürfnis nach Selbsthilfegruppen erwuchs aus den Erfahrungen der Ende 2003 gestarteten Eltern-Hotline. Diese wiederum ist ein "Kind" des 2001 angelaufenen Landesprogramms "RAUSwege" für junge Aussteiger aus der rechtsextremen Szene. Auf seiner Hotline wurden bisher rund 9500 Anrufe registriert. 1700 Beratungsgespräche wurden geführt und in bislang 42 Fällen wurde versucht, Jugendliche und junge Erwachsene aus der rechtsextremen Sackgasse hinauszubegleiten - nachhaltig, wenn die Zeichen nicht trügen: Die Abkehr von Musik mit fremdenfeindlichen Texten, der Aufbau einer beruflichen Perspektive und vor allem eine stabile Partnerschaft mit einer Freundin von außerhalb der "Szene" gelten als ermutigende Signale, dass die Wende geschafft ist. In zwölf der Fälle dauert die Begleitung noch an. Aussteiger-Programm und Elternhilfe werden streng getrennt, betont der Leiter von RAUSwege. Auch er bleibt lieber anonym. Suchen Eltern Unterstützung bei der Initiative, werden die Kinder nicht informiert und nicht gedrängt, sich bei RAUSwege zu melden. Das hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn es aus eigenem Antrieb geschieht. Experten begleiten Familien Die Experten am Eltern-Telefon hören zu, verurteilen nicht, versuchen Gefühle von Schuld und Versagen aufzufangen. Sie informieren darüber, woran eine Gefährdung zu erkennen ist. Viele versteckte Symbole von Rechtsextremen und Neonazis fallen zunächst nicht als solche auf. Rund 90 Prozent der Anrufer auf der Eltern-Hotline - meist melden sich die Mütter - wünschen nach dem ersten Telefonat ein persönliches Treffen. Innerhalb weniger Tage wird das möglich gemacht, zum Zeichen, dass man sie ernst nimmt: "Das überrascht sie", sagt der RAUSwege-Chef. In etwa der Hälfte der Fälle folgt eine langfristige Begleitung der Familie. Da es meist um den Sohn geht, sollten die Väter möglichst eingebunden sein und sich ihre Aufgabe als Rollenvorbild bewusst machen. Krise als Chance zur Wende Die Eltern-Initiative hilft auch dann, wenn die Kinder schon tief in die Szene verstrickt sind. Eine Krise kann später die Chance bieten, wieder Zugang zum Kind zu finden - etwa wenn die Polizei auf der Matte steht oder der Arbeitgeber Wind davon bekommt, dass sein Angestellter demnächst vor Gericht steht. Doch auch dies können Eltern von der Initiative und in der Selbsthilfegruppe erfahren: Dass sie ihr Leben nicht komplett von den Problemen ihres Kindes bestimmen lassen dürfen und dass sie ihre Kräfte einteilen müssen. "Es dauert lange", sagt der Leiter von RAUSwege. "Jemand, der einige Jahre in der Szene verbracht hat, wird nicht in einem Vierteljahr ein anderer." Claudia Renner; Foto Uli Pohl Rhein-Zeitung - Ausgabe Koblenz Stadt vom 18.02.2006, Seite 3.
http://rhein-zeitung.de/on/06/02/18/rlp/r/rlp-1.html ![]() |
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