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Montag, 17. Juni 13
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RZ-Serie: "Hitler-Tagebücher" flogen auf
RZ-Serie - Teil 1: Tagebuchfund als Fälschung entlarvt Hitler-Bände: Als der Stern unterging Koblenz - Es sollte die Sensation des Jahrzehnts werden, und es wurde der Medien-Flop des Jahrhunderts: Im April 1983 präsentierte das Hamburger Magazin Stern stolz den Fund der Hitler-Tagebücher. Eine unverfrorene Fälschung, die innerhalb weniger Tage aufflog - im Bundesarchiv in Koblenz. Das hat es im Koblenzer Bundesarchiv noch nie gegeben. Spannung liegt an jenem 6. Mai 1983 in der Luft. In wenigen Minuten soll das Schlusskapitel im größten Presse-Skandal der Nachkriegsgeschichte aufgeschlagen werden: Die Hitler-Tagebücher sind Lug und Betrug. Was für eine Katastrophe für das Hamburger Magazin Stern. Erst vor knapp zwei Wochen, am 25. April 1983, hatte das Wochenblatt die Weltsensation angekündigt. In dicken roten Lettern titelte der Stern: "Hitlers Tagebücher entdeckt." Ein Raunen ging durch die Weltpresse. Zumal der Stern vollmundig ankündigte: "Die Biographie des Diktators und die Geschichte des Dritten Reiches müssen in großen Teilen neu geschrieben werden." Doch während das Hamburger Magazin den Coup des Jahrhunderts feiert, bahnt sich ein unvergleichliches Fiasko an. Eine Schar handverlesener Experten prüft seit Wochen die Echtheit der Dokumente. Das Ergebnis ihrer akribischen Analysen ist alarmierend. Daher wird am 6. Mai völlig überraschend eine Pressekonferenz im Koblenzer Bundesarchiv anberaumt. Die Journalisten und Kamerateams, die sich im Sitzungssaal im neunten Stock drängen, sind vorgewarnt. Das Bundesinnenministerium in Bonn hat in einer Presse-Erklärung bereits verlauten lassen, dass die Hitler-Tagebücher eine Fälschung sind. Um 13.30 Uhr tickert eine brisante dpa-Eilmeldung über den Fernschreiber vieler Redaktionen: "Hitler-Tagebücher stammen aus der Nachkriegszeit." Schadenfreude im Kabinett ![]() Zuvor wurde Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) über die Untersuchungsergebnisse informiert. Während er im Bundestag auf der Regierungsbank sitzt, wird ihm ein Blatt Papier mit der brisanten Nachricht zugeschoben. An dessen Rand notiert er: "Ich bedauere, dass diese Prüfung nicht vor der Veröffentlichung erfolgen konnte." Zimmermann reicht die Notiz an Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) weiter. Der kommentiert, so ist es überliefert, lakonisch: "Das ist ja ein Ding." Eine gewisse Schadenfreude kann man sich im Kabinett nicht verkneifen. Der linksliberale Stern gilt nicht gerade als CDU-freundlich. Am gleichen Tag, um 15 Uhr, beginnt die Pressekonferenz im Bundesarchiv. Im Wöllershof ist die Hölle los. Fotografen rangeln um die besten Plätze. Jeder weiß, diese Bilder werden um die Welt gehen. Präsident Hans Booms ergreift das Wort. Er hat seinen Archivaren in der heiklen Phase der Prüfung den Rücken freigehalten. Jetzt diktiert er unzähligen Journalisten in den Block, warum die Hitler-Tagebücher nicht mal das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Gleich mehrere Gutachten entlarven die Fälschung. Kameras surren, ein Blitzlichtgewitter geht auf die Experten nieder, die auf dem Podium sitzen - darunter auch der BKA-Spezialist Louis Ferdinand Werner. Nach gut einer Stunde ist klar, dass der Stern auf Jahre jegliche Strahlkraft eingebüßt hat. Reißerische Präsentation
In der Hamburger Redaktion des Magazins herrscht das blanke Entsetzen. Inzwischen sind zwei Ausgaben erschienen, in denen die Hitler-Tagebücher das alles beherrschende Thema sind. Im ersten Heft berichtet Top-Reporter Gerd Heidemann wie er die Bände auf abenteuerliche Weise aufspürte. Eine Woche später kommt der Stern groß mit einer Geschichte über den Fall Rudolf Heß heraus. Tenor der aufsehenerregenden Story: Adolf Hitler hat seinen Stellvertreter im Mai 1941 höchstpersönlich nach Großbritannien geschickt. Die Mission schlug bekanntlich fehl. Heß wurde aufgegriffen und ins Gefängnis geworfen. Hitler ließ seinen treusten Verbündeten für wahnsinnig erklären. Die Tagebuch-Notizen indes werfen ein neues Licht auf die Ereignisse: Hitler und Heß haben den Schottland-Flug angeblich gemeinsam geplant. Sollte Heß damit scheitern, London zum Frieden zu bewegen, würde Hitler ihn für verrückt erklären, so die Abmachung. Als das Flieger-As am 10. Mai in seine Me 110 stieg, war der Führer also voll im Bilde. Dieser Knüller wird in der Stern-Belegschaft mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Viele Redakteure haben Probleme damit, wie reißerisch die Hitler-Tagebücher ausgeschlachtet werden. Als Chefredakteur Felix Schmidt, einer von dreien, nun zerknirscht einräumen muss, dass der Inhalt der Bände erstunken und erlogen ist, sind die Kollegen außer sich. Journalistische Sorgfaltspflicht ist beim Stern oberstes Prinzip. Doch beim Geheimprojekt Hitler-Schriften herrschen andere Regeln, werden erprobte Kontrollinstanzen umgangen, damit nichts durchsickern kann. Nur ein kleiner Kreis um Heidemann, den Chef des Ressorts Zeitgeschehen, Thomas Walde, und Gerd Schulte-Hillen, den Vorstandsvorsitzenden des Verlags Gruner & Jahr, wissen Bescheid. Ein Rätsel bleibt Ihnen ist auch klar, dass der Stern nicht nur seinen Ruf verspielt, sondern gut neun Millionen Mark in den Sand gesetzt hat. Denn diese horrende Summe wurde nach und nach für den Erwerb der Fälschungen bezahlt. Zudem sind alle internationalen Lizenzen Makulatur. Halb fertige Buch-Manuskripte wandern in den Papierkorb. Die Stern-Führung wollte einen Jahrhundert-Knüller enthüllen - doch bloßgelegt wird nur ihre blinde Profitgier. Am 6. Mai geht der Stern quasi unter. Das Desaster ist offenbar, als letztes Rätsel bleibt die Identität des Fälschers: Konrad Kujau tarnt sich mit falschem Namen - nur Star-Reporter Gerd Heidemann hält Kontakt zu ihm. Beim Stern gilt strikter Informantenschutz. In Koblenz ist die turbulente Pressekonferenz im Bundesarchiv inzwischen zu Ende. Die Journalisten eilen zu den Telefonen, die sie im gesamten Haus benutzen dürfen. Wenig später werden Schlagzeilen gedruckt. Ein paar Fotografen und TV-Redakteure lassen sich noch die Magazine des Archivs zeigen. Dann kehrt wieder Ruhe ein im Wöllershof. Die Hitler-Tagebücher verschwinden im Stahltresor. Doch die Skandal-Geschichte des Jahrzehnts wird die Republik noch lange in Atem halten. Von Dietmar Brück - Fotos: dpa, Thomas Frey
http://rhein-zeitung.de/on/08/04/25/rlp/r/hserie-1.html ![]() |
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