Möbel mit Charakter: Einrichtung vom Flohmarkt
Karlsruhe/Düsseldorf Es muss nicht immer das todschicke Designsofa sein: Wer seinem Zuhause einen neuen Touch verleihen will, kann anstatt in das Möbelhaus auch einfach auf den Trödelmarkt gehen.
Dort warten viele alte Schätze darauf, entdeckt zu werden. «Der Reiz an Möbeln und Accessoires vom Flohmarkt ist, dass die Dinge eine Geschichte erzählen», sagt Innenarchitektin Annika Egner aus Karlsruhe.
Wenn Egner für «RoomDoctor» , einem Netzwerk aus Einrichtungsberatern in Deutschland, die Wohnungen von Privatleuten aufmöbeln soll, greift sie gerne auf alte Stücke zurück. «Erbstücke gibt es eigentlich in jeder Wohnung.» Man muss nur wissen, wie man sie richtig in Szene setzt. «Wenn alles einfach nur so zusammengestellt wird, was man im Laufe der Jahre gesammelt hat, fehlt oft die Gemütlichkeit», sagt Egner.
Gerade bei der Kombination von alten und neuen Möbeln muss auf die Gemeinsamkeiten der Stücke geachtet werden. «Man sollte nicht die unterschiedlichsten Holzsorten mischen», rät die Innenarchitektin zum Beispiel. Hellere Holzarten wie Birke und Ahorn vertragen sich gut, eine dunkle Eiche und eine rote Kirsche passen dagegen nicht zueinander. Besonders schöne und auffällige Möbel mögen ohnehin keine Nachbarn: «Ungewöhnliche Stücke wie der Biedermeierschrank sollten lieber alleine stehen.»
Auch die Möbel und Wohnaccessoires von Claudia Hoehne wirken ganz alleingelassen oft am schönsten. Hoehne betreibt in Düsseldorf das Möbelgeschäft Villa Oliva, in dem sie Einrichtungsgegenstände mit Flohmarkt-Flair verkauft, die sie auf der ganzen Welt findet. «Das Schöne ist, dass die Stücke nicht aalglatt geleckt sind, sondern dass man sieht: Das Teil hat gelebt», sagt Hoehne.
«Wenn die Möbel zu schäbig aussehen, streiche ich sie cremeweiß und schmirgel sie dann noch einmal ab», sagt Hoehne. Überhaupt darf der neue Möbelbesitzer an dem alten Stück ruhig Hand anlegen. Das Sofa kann neu bezogen, der Esstisch geölt und die Kommode mit neuen Griffen verschönert werden.
Dazu rät auch die englische Stylistin Emily Chalmers in ihrem Buch «Flohmarkt-Flair zuhause»: «Einige Stücke können bleiben, wie sie sind, andere brauchen dagegen eine liebevolle Reparatur oder eine kleine Schönheitskur.». Zudem ist Phantasie gefragt: «Eine Bank wird zum Beistelltisch, eine angestoßene Teetasse zur Vase.»
Wer sich erst langsam an den Trödelmarkt-Chic herantasten möchte, kann mit Wohnaccessoires beginnen. Ein verschnörkelter Kerzenleuchter bringt dem Esstisch einen Hauch Grandezza, in einer verzierten Emailledose bleiben Gewürze frisch und eine Stehlampe aus den 70er Jahren neben dem Wohnzimmersofa ist heute ohnehin wieder topmodern.
«Die Japaner sagen zu diesen Stücken , sie seien 'Wabi Sabi'», erklärt Innenarchitektin Egner. Das bedeutet, dass es bei den Gegenständen um den versteckten Glanz geht. «Nicht die offenkundige Schönheit ist das Beste, sondern die verdeckte.» Wer auf der Suche nach Charaktermöbeln über den Flohmarkt schlendert, muss deshalb ein geschultes Auge haben und offen sein für die Eigenwilligkeit der Stücke.
So schön ein alter Schrank auch wirken kann - morsch darf er nicht sein. «Auch sollte man darauf achten, dass das Holz nicht von Würmern durchfressen ist», sagt Claudia Höhne. Wie man morsches Holz erkennt, kann sie schwer beschreiben. «Das lernt man mit der Zeit.» Bei einem Schrank sollte der Käufer Schubladen und Regale prüfen und auch die Standbeine genauer anschauen. Ein Esstisch darf nicht beim darauf Abstützen schon schlapp machen und ein Stuhl muss natürlich das Gewicht einer Person locker tragen können. «Es darf halt nicht zu klapprig sein», sagt Annika Egner.
LITERATUR: Emily Chalmers: Flohmarkt- Flair zuhause, Gerstenberg, ISBN 978-3-8369-2954-7, 19,90 Euro; Rachel Ashwell: Shabby Chic - Wohnideen vom Flohmarkt, Christian, ISBN 978-3-8847-2451-4, 9,95 Euro; Jana Jung/Simone Heuberger: Wohne lieber ungewöhnlich: Die Lust am individuellen Einrichten, Callwey, ISBN 978-3-7667-1672-9, 29,95 Euro.
Floh- und Trödelmärkte in der Übersicht: www.marktcom.de Große Flohmärkte in Deutschland In deutschen Städten gibt es unzählige Floh- und Trödelmärkte, auf denen Möbel, Wohnaccessoires und Gebrauchsgegenstände für das Zuhause verkauft werden. Die Internetseite www.marktcom.de listet eine große Anzahl an Märkten auf - nach Bundesland und Postleitzahlen sortiert. In Berlin lohnt sich ein Spaziergang über den Kunst- und Trödelmarkt auf der Straße des 17. Juni - immer samstags und sonntags von 10.00 bis 16.00 Uhr. In Frankfurt am Main lädt der Flohmarkt am Museumsufer immer samstags von 09.00 bis 14.00 Uhr zum Trödeln ein und in München können Schatzsucher jeden Samstag von 06.00 bis 16.00 Uhr über den Flohmarkt an der Messe (Willy-Brandt-Allee) schlendern. Von Vivien Leue, dpa
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