Wenn der Bauch rebelliert: Das Reizdarm-Syndrom
Bocholt/Wiesbaden Die ersten Beschwerden plagten Margret Thöne aus Bocholt schon Anfang der 80er Jahre.
Damals litt sie plötzlich unter Bauchkrämpfen und Durchfällen.
«Die Ärzte haben bei mir aber lange nichts festgestellt», erinnert sich die heute 62-Jährige. «Stattdessen wurde mir gesagt, dass ich ganz einfach damit leben muss.» Die Situation änderte sich erst vor wenigen Jahren, als sie in einer Gesundheitssendung im Radio ihre Symptome wiedererkannte. Kurze Zeit später wurde bei ihr dann endlich die richtige Diagnose gestellt: Reizdarm.
Margret Thöne tauscht sich über ihre Beschwerden mittlerweile in einer Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen aus. Immerhin leiden in Deutschland rund 30 Prozent der Bevölkerung an dieser chronischen Krankheit, etwa Dreiviertel der Patienten sind Frauen, sagt Prof. Richard Raedsch, Leiter der Gastroenterologie-Abteilung am St.-Josefs-Hospital in Wiesbaden. Größere Gefahren drohen zwar nicht. Schließlich führt ein Reizdarm, der zu den sogenannten funktionellen Darmkrankheiten gehört, nicht zu Krebs oder anderen Entzündungen der Organe. «Durch die Krankheit sind die Betroffenen aber im Beruf und im Privatleben oft sehr einschränkt», sagt Raedsch.
Zu den wichtigsten Symptomen zählt ein unregelmäßiger Stuhl. «Ein Reizdarm kann neben Durchfall und Bauchkrämpfen auch Verstopfung und Blähungen hervorrufen», erklärt Martin Strauch, Gastroenterologe in Neubiberg bei München. Oft werden die Symptome beispielsweise durch Stresssituationen noch verstärkt. Dabei kann es sich ebenso um berufliche wie persönliche Probleme handeln. «Je nach Lebenssituation können die Beschwerden nachlassen, ganz verschwinden oder auch permanent bleiben», sagt der Mediziner. «Was jedoch alle Betroffenen teilen, ist der Leidensdruck, der durch den Reizdarm ausgelöst wird.»
Zu den Untersuchungen, die auf jeden Fall durchgeführt werden sollten, gehöre eine Darmspiegelung. «Man muss die Krankheit ernst nehmen», betont Strauch. «Das ist der Schlüssel zur Behandlung.» Wichtig sei zudem die verständnisvolle Hinwendung des behandelnden Arztes zum Patienten. «Außerdem sollten dem Betroffenen nach der Organuntersuchung genau die Zusammenhänge erklärt werden.»
Wie Forschungen in den vergangenen Jahren gezeigt haben, liegt der Grund für die Beschwerden darin, dass Betroffene eine niedrigere Reizschwelle bei Spannungen im Darm haben. «Sie merken den Druck darin schneller, weil sie eine spezielle Nervenbahnverbindung zwischen Darm und Gehirn haben», erläutert Raedsch. «Bei ihnen werden die Nervenimpulse schneller als Reiz wahrgenommen.»
Steht dann erst einmal die Diagnose «Reizdarm» fest, sollte der Betroffene lernen, mit der Krankheit umzugehen. «Dazu gehört auch, dass man seine Ernährung auf eine gut verträgliche, ausgewogene Mischkost umstellt, zu der Obst und Gemüse ebenso gehören wie Fisch und Fleisch», rät er. Sinnvoll ist außerdem der Einsatz verschiedener Medikamente. «Während man bei Durchfall zu Quellmitteln wie den sogenannten Flosamen greift, verschafft bei Verstopfung ein Stuhl-Softener und bei Bauchschmerzen ein krampflösendes Medikament Linderung.»
Margret Thöne kommt mit der Krankheit jetzt besser klar: Seit der Diagnose ist sie endlich beruhigt - selbst wenn die Krankheit sie auf unbestimmte Zeit weiter begleiten wird.
Webseite eines Selbsthilfe-Vereins: www.reizdarmselbsthilfe.de Von Aliki Nassoufis, dpa
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