Verletztes Sprunggelenk immer behandeln lassen
Hamburg/Wuppertal Nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit - und schon knickt der Fuß um.
Manchmal geht das glimpflich aus, doch wer beim Sport mit Schwung unglücklich zur Seite knickt, hat meist sofort starke Schmerzen und bald einen dicken Knöchel.
«Das sollte man auf keinen Fall unterschätzen», warnt Oliver Dierk von der Sportorthopädie im Albertinen-Krankenhaus in Hamburg. «Oft ist in diesen Fällen das Sprunggelenk verletzt, das behandelt werden muss - nur Kühlen und Hochlegen reicht dann nicht.»
Wer die Verletzung nicht ernst nimmt, muss mit Langzeitschäden wie instabilen Bändern, regelmäßigem Umknicken und schlimmstenfalls sogar mit Arthrose rechnen. Das Sprunggelenk ist eines der am stärksten beanspruchten Gelenke des menschlichen Körpers: Es trägt bei jedem Schritt die gesamte Körperlast. Besonders belastet wird es, wenn es bei Sportarten wie Fußball, Tennis oder Volleyball Sprünge und Hüpfer abfangen muss. Dabei kann es leicht umknicken und sich verletzen.
«Im Sprunggelenk können die Bänder und die Kapsel reißen, Knorpel kaputt gehen oder Knochen brechen», erklärt Ursula Marschall, Medizinerin im Kompetenzzentrum Gesundheit der Barmer-Krankenkasse in Wuppertal. Am häufigsten seien allerdings die Bänder betroffen, da sie ungeschützt außen am Gelenk liegen und so durch eine Überdehnung am ehesten gefährdet sind. «Je nachdem, wie stark die Verletzung ist, können alle drei Außenbänder reißen oder zumindest anreißen.»
Da der Laie jedoch nie konkret weiß, was exakt betroffen ist, ist Abwarten tabu. «Verletzungen des Sprunggelenks müssen immer behandelt werden», betont Christian Mauch, Orthopäde und Unfallchirurg in Stuttgart. «Ein Arzt muss den Fuß genau untersuchen, gegebenenfalls durch eine Röntgenaufnahme einen Bruch ausschließen und die Schäden an den Bändern kompetent behandeln.»
Selbst wenn «nur» ein Band betroffen ist, müssen die Patienten laut Mauch etwa vier bis sechs Wochen lang zwei seitliche Schienen an dem verletzten Fuß tragen, damit die Bänder wieder gut zusammenwachsen. Die Schienen passen in weichere Schuhe und müssen rund um die Uhr angelegt sein. Sie helfen auch, wenn außerdem die Gelenkkapsel eingerissen ist oder Sehnen und Muskeln verletzt sind.
«Wird der dicke Knöchel dagegen leichtfertig ignoriert, weil der Schmerz möglicherweise als nicht so stark empfunden wird, kann es zu einer bleibenden Instabilität im Gelenk kommen», warnt Marschall. Die Folge: Die Bänder sind wie ausgeleiert und halten das Gelenk nicht mehr richtig fest, so dass der Fuß nun noch schneller umknicken kann.
Das jedoch kann langfristig schwere Konsequenzen haben. «Durch das ständige Umknicken steigt nicht nur das Verletzungsrisiko», sagt Marschall. «Auch der Knochen nutzt sich stärker als normal ab, was zu einer Arthrose führen kann - unabhängig vom Alter.»
In selteneren Fällen werden beim ersten Umknicken auch der Knorpel oder Knochen verletzt. «Je nach Diagnose des Facharztes muss das Gelenk dann eventuell operiert werden», erklärt Mauch. Erst dann könne es mit einem Gipsverband rund sechs Wochen ruhig gestellt und durch anschließende Reha-Maßnahmen wieder trainiert werden.
Verletzungen des Sprunggelenks sind zwar nie völlig zu vermeiden. Schließlich besteht schon allein beim Spazierengehen das Risiko, aus Unachtsamkeit oder lockeres Schuhwerk an der Bordsteinkante abzurutschen. «Das ist zum Teil sicherlich Pech, doch wer regelmäßig extreme Kontaktsportarten betreibt, sollte sich durch gezielte Übungen wappnen», rät Dierk, der auch Mannschaftsarzt bei den Fußballprofis des Hamburger SV ist.
Studien belegen ihm zufolge, dass spezielles Training der tiefen Muskulatur das Risiko von Sprunggelenksverletzungen senkt. Vor allem Balance-Übungen seien dafür wichtig. Üben könne man auf einem wackeligen Brett oder einem Sprungbrett. «Ein gutes Training ist aber auch, ein Handtuch fest zusammenzurollen, sich beim Zähneputzen mit einem Bein draufzustellen und zu versuchen, das Gleichgewicht zu halten.» Das ist so einfach wie effektiv. Erste Hilfe bei Sprunggelenksverletzungen Wenn das Gelenk anschwillt, schmerzt und sich möglicherweise noch ein Bluterguss bildet, liegt immer eine Verletzung vor. Ist nicht sofort ein Arzt zur Stelle, können sich die Betroffenen erst einmal selber helfen, empfiehlt Ursula Marschall von der Barmer-Krankenkasse. «Dabei sollte man sich an dem sogenannten PECH-Schema orientieren.» P steht für Pause - der betroffene Fuß sollte sofort geschont werden. E wie Eis heißt, dass der Knöchel so früh wie möglich gekühlt werden muss - das verhindert Schwellungen. C beschreibt die Compression, also den Verband, der das Gelenk stützt. Das H steht für Hochlagern, weil der Fuß nur so geschont und zum Abschwellen gebracht werden kann. Von Aliki Nassoufis, dpa
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