Das ist er auch heute noch, aber "wo auch immer die Liebe hinfällt", so richtig akzeptiert ist meist nur die zwischen einem Mann und einer Frau. Erst in den vergangenen Jahren outeten sie sich öffentlich - die Bisexuellen von Grace Jones über Wolfgang Joop bis hin zu David Bowie.
Doppelte Lust, doppelter Frust? "Natürlich ist es schwierig, schließlich muß ich mich ständig neu definieren, aber Bisexualität bedeutet, daß ich meine Sexualität 100prozentig ausleben kann - die große Lust überwiegt eindeutig", sagt eine 29jährige Erzieherin, die aus beruflichen Gründen anonym bleiben will. Sie ist eine von rund 370 Bisexuellen, die sich am Pfingstwochenende zum vierten Internationalen Bisexuellen Symposium in Berlin trafen. "Die größte Normalität ist die Liebe zu beiden Geschlechtern. Homos und Heteros sind Eingeengte", meint Fritz Letsch. Der 42jährige, ehemalige katholische Religionslehrer verliebt sich zwar meist in Männer, geht aber auch mit Frauen ins Bett.
Geforscht, geschrieben und gesagt wurde schon so manches zum Thema Bisexualität. Wenn man Kolle glauben darf, mit mehr als unbefriedigendem Ansatz. Die Wissenschaftler seien - bis auf wenige Ausnahmen - von einer These ausgegangen: "Was die Mehrheit tut, ist wohlgetan. Minderheiten sind entweder unreif oder krank oder verdächtig". Ist es dann ein Wunder, so Kolle, wenn schon ausgewiesene Sexualforscher diesem Klischee unterliegen, daß die Gesellschaft immer noch ein "Sexualbrett" vor dem Kopf hat? So ist in Kontaktanzeigen nicht selten zu lesen: "No bi no alk". "Das ist einfach die grausamste Diskriminierung", sagt der 49jährige Jürgen Höhn, der das Symposium in Berlin mitgestaltete.
Diese wiederum müsse "Bisexualität als eine Bereicherung erkennen", fordert Kolle. Schon 1927 schrieb Thomas Mann in seinem Tagebuch über sein zärtliches Verhältnis zu dem 17jährigen Klaus Heuser: "Damals war ich ein glücklicher Liebhaber". Mann ebenso wie Andre Gide oder Anais Nin blieb es zeitlebens verwehrt, seine Neigung zu beiden Geschlechtern offen zu leben - so offen wie die Männer im klassischen Griechenland. Imke Hendrich